Active Sourcing: Profession oder Mitmach-Bewegung?

Aktuell scheint „Active Sourcing“ das neue Recruiting-Instrument im Kampf um die besten Talente zu sein.
Unternehmen schreiben Stellen, mit phantasievollen Begriffen wie beispielsweise „Active Sourcer“, „Talent Sourcer“ oder „Talent Matcher“ aus. Die Liste ist lang und leider sind die Stelleninhalte oft genauso nebulös und nichtssagend wie die Stellentitel. Da ist u.a. von Guerilla Recruiting, von Social Media Sourcing, Talent-Identifizierung und Bewerber-Direktansprache on- und offline die Rede.
Doch was ist mit Active Sourcing gemeint?
Diese Begrifflichkeit stammt aus der Bewerber-Direktansprache, einem Betätigungsfeld der sogenannten „Headhunter“ oder auch Personalvermittler. Ziel ist, potenzielle Kandidat*Innen, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, auf ein passendes Jobangebot aufmerksam zu machen.
Arbeitgeber, die Active Sourcing professionell und erfolgreich angehen wollen, müssen sich vorher einige Fragen beantworten:
WAS soll mit Active Sourcing erreicht werden?
Die Antwort darauf klingt naheliegend: Schnellere Besetzung von Vakanzen mit den richtigen Menschen.
Übersehen werden dabei oftmals die eigentlichen Ursachen, die dazu führen, dass Stellen nicht besetzt werden, wie zum Beispiel:
• veraltete Bewerbungsverfahren via E-Mail oder Post
• langandauernde Prozesse, bei denen die Bewerber*Innen monatelang keine Rückmeldung bekommen
• Stellenanzeigen, die keinerlei Lust machen, sich zu bewerben
• oder auch ein schlechtes Arbeitgeber-Image aufgrund unzufriedener Mitarbeiter*Innen und Bewerber*Innen.
Daher sollte man sicherstellen, dass das Active Sourcing auf fruchtbaren Boden fällt, indem man oben genannte Punkte optimiert. Oftmals stellt sich schon alleine dadurch das gewünschte Ergebnis ein. Wenn die oben genannten Parameter bereits stimmen, geht es darum, herauszufinden, wen man mit Active Sourcing erreichen möchte:
Welche Mitarbeiter*Innen / Zielgruppen passen zu dem Unternehmen bzw. wer soll konkret angesprochen werden?
Was hat es mit der Zielgruppe auf sich?
Der Begriff „Zielgruppe“ kommt ursprünglich aus dem Konsumenten-Marketing. Hier teilte man mögliche Konsumenten-Gruppen unter anderem nach Bedürfnissen, Ausbildung, Interessen, Konsumverhalten und Alter auf. Im Bereich des Personalmarketing / Employer Branding hat sich mit der Vergrößerung und Internationalisierung des Arbeitsmarktes auch die Medienlandschaft erweitert. So gibt es für die Erreichung von Bewerber*Innen jeglichen Alters und beruflicher Ausrichtung, verschiedene Möglichkeiten der Jobplatzierung. Neben Printmedien, die zunehmend an Bedeutung verlieren, und den allgemeinen Online-Jobbörsen, haben sich sehr viele fachspezifische, aber auch personenspezifische Jobplattformen und Apps etabliert, die sich an den Kriterien des Konsumenten-Marketings weitestgehend orientieren.
Zielgruppen sind zum Beispiel:
• Schüler*Innen
• Studierende
• Berufstätige in Voll- und Teilzeit
• Aushilfen
• Hausfrauen / Mütter
• Rentner*Innen
• Arbeitsuchende
Über die passende Zielgruppe verschafft man sich am ehesten Klarheit, in dem man mit der einstellenden Führungskraft ausführlich spricht und auch auf das Gesagte zwischen den Zeilen hört. Denn oft haben Einstellungsverantwortliche, aufgrund ihrer Erfahrungen, ein bestimmtes Bild davon, wer zu ihrem Team passt und wer nicht. Dementsprechend hoch ist die Unzufriedenheit, wenn präsentierte Bewerber*Innen in das Schema „unpassend“ fallen.
Wenn die gewünschte Zielgruppe herausgearbeitet wurde, geht es darum, zu überlegen, wo und wie man diese Personen findet und welche Bedürfnisse sie haben. Gerade im Hinblick darauf, ob Arbeitgeber diese Bedürfnisse erfüllen können, ist Ehrlichkeit gefragt.
Konkret bedeutet das: Wenn ein Unternehmen beispielsweise die Zielgruppe berufserfahrene und arbeitsuchende Mütter für sich gewinnen möchte, dann sind deren Bedürfnisse, wie beispielsweise eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Arbeitszeiten, zu berücksichtigen. Insbesondere dann, wenn die Kinder noch sehr klein sind und es keine entsprechende Betreuungsmöglichkeit gibt.
Diese Flexibilität muss schon bei der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gegeben sein, denn möglicherweise sind Nachmittagstermine, für die es keine anderweitige Kinderbetreuung als durch die Mutter gibt, eher nachteilig.
Nun geht es darum:
WO soll das Active Sourcing stattfinden?
Möglichkeiten der Direktansprache finden sich dort, wo man die Zielgruppe antreffen kann, zum Beispiel:
• Job- und Fachmessen
• Vereine
• Schwimmbäder
• Fitness-Studios
• Weiterbildungsinstitute
• Flohmärkte
• Straßenfeste
• Geschäfte und Einkaufszentren
• Restaurants, Cafés und Kneipen
• Soziale Netzwerke
• Business Netzwerke
Wenn man das Ganze nun noch einmal am Beispiel einer berufstätigen Mutter aufgreift, dann sind Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder, Vereine und Geschäfte gute Anlaufstellen, auf diese Zielgruppe zu treffen.
Da es gerade im Active Sourcing um eine sehr persönliche Ansprache geht, steht als nächster Schritt die Überlegung an:
WIE erfolgt die Anrede?
Wenn innerhalb des Unternehmens, das SIE gepflegt wird, sollte sich das auch in der Direktansprache wiederfinden. Manche Unternehmen formulieren ihre Stellenanzeigen mit DU und sind dann etwas befremdet, wenn Bewerber*Innen das DU in der gesamten schriftlichen und persönlichen Kommunikation aufgreifen. Man sollte sich auch daran orientieren, welche Gepflogenheiten im Umfeld der Direktansprache üblich sind.
Weil nicht nur die Direktansprache authentisch sein muss, sollte auch der folgende Punkt gut durchdacht sein:
WER führt das Active Sourcing durch?
Idealer Weise gehört der eingesetzte „Talent Sourcer“ zur gleichen Alters- und Berufszielgruppe, die der Arbeitgeber erreichen will. Das erhöht die Glaubwürdigkeit. Zudem fällt es dem „Talent Sourcer“ einfacher, sich in die Bedürfnisse der gesuchten Zielgruppe hineinzuversetzen.
Genauso wichtig wie die Ansprache, ist die Methodik, mit der Active Sourcing erfolgt:
WELCHE Methoden sollen zum Einsatz kommen:
Wenn es um Massenrekrutierung geht, d.h. die Besetzung von vielen gleichartigen Jobs mit geringen bis mittleren Anforderungen, sind sogenannte Guerilla-Aktionen eine gute Idee. Aber nur dann, wenn sie einfallsreich und gut durchdacht sind. Letztlich geht es nicht nur darum, möglichst viel Aufmerksamkeit von sehr vielen Menschen zu bekommen, sondern auch diese Menschen dazu zu bringen, sich zu bewerben. Das heißt, der Erfolg sollte durchaus messbar sein.
Was ist mit Guerilla-Recruiting gemeint?
Unter Guerilla-Recruiting versteht man überraschende Aktionen in Richtung einer bestimmten Zielgruppe, um deren Aufmerksamkeit für den Moment zu erlangen. Hierfür bieten sich meist öffentlich zugängliche Orte an, die zum Zeitpunkt der Aktion von vielen Menschen stark frequentiert werden. Ursprünglich kommt diese Form der Massenansprache aus dem Produktmarketing, mit dem Ziel, möglichst viele Konsumenten auf ein neues Produkt aufmerksam zu machen.
Bei der Individualrekrutierung, d.h. die Besetzung einer oder weniger hochqualifizierter Positionen, ist das Umfeld in dem rekrutiert wird, sehr viel kleiner. Aber auch die Ansprache muss dezidierter sein. Hier kann es hilfreich sein, sich mit den Interessen der gesuchten Zielgruppe auseinanderzusetzen und darüber in die Direktansprache zu gehen. Gerade wenn das Active Sourcing im alltäglichen Leben, bspw. beim Einkaufen, Sport oder auf dem Arbeitsweg stattfindet, bietet es sich an, es mit einer bleibenden Erinnerung zu verknüpfen. Dies kann in Form von nützlichen Werbegeschenken sein, die man der angesprochenen Zielgruppe mitgibt.
Beim Active Sourcing geht es also darum, mit zielführenden Aktionen eine Direktansprache der passenden Zielgruppe und eine schnelle Besetzung offener Positionen zu erreichen. Die Ergebnisse sollen messbar sein.
Messgrößen können zum Beispiel die folgenden sein:
• Das Gehalt zzgl. Lohnnebenkosten der für Active Sourcing eingesetzten Kräfte
• Kosten für Beiträge (bspw. Premiummitgliedschaften in Businessnetzwerken)
• Kosten für Werbematerialien / Werbegeschenke
• Eintrittsgelder (bspw. für Jobmessen)
• Reisekosten der „Talent Sourcer“
• Anzahl der über Active Sourcing eingestellten Mitarbeiter*Innen
• Relation der Anzahl von neugewonnenen Mitarbeiter*Innen, zzgl. deren Jahresgehalt zu Kostenaufwendungen für Active Sourcing inkl. Gehälter & Lohnnebenkosten
• Als Gegenüberstellung: Aufwände, sowohl in Zeit- als auch Kosten, die man für andere Beschaffungswege investieren müsste
Zusammenfassend sollte man folgende Punkte bedenken:
• Sind alle Bedingungen für ein schnelles und professionelles Bewerbungsverfahren geschaffen?
• Welche Alters- und Berufszielgruppen möchte das Unternehmen erreichen?
• Sind alle Bedingungen vorhanden, um die Bedürfnisse der Zielgruppe zu erfüllen?
• Wird der „Talent Sourcer“ bei der benötigten Alters- und Berufszielgruppe glaubwürdig ankommen?
• Rechtfertigt die Anzahl offener Vakanzen den dauerhaften Einsatz eines „Talent Sourcers“?
• Wie viele neue Mitarbeiter*Innen muss der „Talent Sourcer“ gewinnen, damit sich die Kosten rechnen?
• Stellt das Unternehmen ausreichend Budget für notwendige Maßnahmen bereit?
• Sind die Erwartungen des Unternehmens realistisch?
Um nun die eingangs gestellte Frage zu beantworten:
Es geht im Active Sourcing nicht darum, sich ein paar Aushilfen ins Haus zu holen, damit sie mal hippe und abgefahrene Guerilla-Aktionen machen oder planlos alle möglichen Menschen ansprechen. Das kann im Zweifelsfall einen sehr negativen Beigeschmack haben und sich entsprechend auf das Image des Arbeitgebers auswirken. Active Sourcing ist eine Profession, die gut geplant sein muss, damit sie erfolgreich ist. Als Teil einer Employer-Branding-Strategie mit einem entsprechenden planbaren Bedarf an neuen Mitarbeiter*Innen, kann sich der Einsatz eines „Talent Sourcers“ für Unternehmen wirklich auszahlen.
Für eine Beratung zum Thema Active Sourcing stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich unter 0151-20102018 oder via E-Mail: kloos@mehrwert-kompetenz.de