Fachkräftemangel: Eine Frage der Einstellung

In Zeiten, in denen nahezu alle Branchen über Fachkräftemangel klagen, gibt es Arbeitgeber, die mit damit scheinbar keine Probleme haben.
Am Beispiel des Zahnwerk Frankfurt lässt sich sehr gut verdeutlichen, wie auch kleinere Arbeitgeber, die unternehmerischen Anforderungen mit den veränderten Bedingungen des Arbeitsmarktes in Einklang bringen.
Mit Frau Dr. Isser habe ich mich darüber unterhalten, wie der Einsatz von mehreren Teilzeitkräften gut funktionieren kann.
Frau Dr. Isser ist seit 2000 als Zahnärztin tätig und beschäftigt in ihrer Praxis, dem Zahnwerk Frankfurt (www.zahnwerk-frankfurt.de), 15 Angestellte. Darunter auch 5 Mütter in Teilzeit.
Anke, Du bist nun seit vielen Jahren mit Deiner eigenen Praxis selbstständig. Einige Deiner Vollzeitkräfte sind inzwischen Mama geworden und arbeiten in Teilzeit bei Dir. Welche Gedanken gingen Dir anfangs durch den Kopf, als Teilzeit ein Thema wurde?
Dr. Anke Isser:
Gott sei Dank kamen die Kinder ja nicht alle zur gleichen Zeit. Aber trotzdem dachte ich erst einmal „Na, prima..! Wieder Ersatz suchen und wenn ja für wie lange? Kommt die Angestellte in Voll- oder in Teilzeit zurück? Kommt sie überhaupt zurück?“
Die Rückkehr in Teilzeit hat bei meinen beiden langjährigen Mitarbeiterinnen zum Glück sehr gut geklappt.
Gewappnet mit dieser positiven Erfahrung, habe ich weitere Teilzeit-Vakanzen mit Müttern besetzt. Wobei ich, offen gestanden, auch vom Fachkräftemangel zu dieser Entscheidung bewegt wurde. Denn ich hatte unter den vorliegenden Bewerbungen die Auswahl zwischen schlecht ausgebildeten bzw. unerfahrenen Vollzeitkräften oder sehr gut ausgebildeten Teilzeit-Fachkräften mit Berufserfahrung.
Ich habe mich für die Qualität der erfahrenen Fachkräfte entschieden und das zu keiner Minute bereut.
Zum einen, weil diese Kräfte nicht nur über mehr Qualifikationen und Erfahrung, sondern auch über eine bessere Kommunikation und ein deutlich höheres Maß an Verantwortungsgefühl, verfügen.
Für viele Arbeitgeber ist Teilzeit insoweit eine Herausforderung, dass eine Vollzeitabdeckung gewährleistet sein muss. Welche Lösungen habt ihr gefunden?
Dr. Anke Isser:
Um auch den Vollzeitkräften gerecht zu werden, haben wir einen Deal mit unseren Müttern. Jede von ihnen leistet einmal in der Woche einen Vollzeittag. Wobei dieser Tag nicht auf einen fixen Wochentag festgelegt ist. So können sich die Mitarbeiterinnen untereinander abstimmen und auch im Bedarfsfall flexibel tauschen.
Wenn eine Mitarbeiterin zu Hause bleiben muss, weil das Kind erkrankt ist, sprechen sich die anderen ab und helfen sich untereinander, um den Ausfall zu kompensieren.
Darüber hinaus wissen es meine Mitarbeiterinnen zu schätzen, dass ich Kinder als Gewinn und nicht als Handicap betrachte. Das schafft eine gute und vertrauensvolle Atmosphäre, die es uns ermöglicht, „gemeinsam durch dick und dünn zu gehen“.
Die Solidarität unter Müttern und zu einem Arbeitgeber, der sich klar zu ihnen und ihren Bedürfnissen, beispielsweise nach flexibler Arbeitszeit, bekennt, stellt einen hohen Zugewinn für meine Praxis dar.
Einige Arbeitgeber sehen das Thema „Teilzeit bzw. Mütter in Teilzeit“ mit Vorbehalt und denken sofort an häufige Ausfallzeiten, bspw. wenn das Kind krank ist, die Kita eher schließt usw. Wie ging es Dir damit und inwieweit stimmen solche Vorbehalte?
Dr. Anke Isser:
Auch wenn es sich gesellschaftlich gewandelt hat, ist nach wie vor hauptsächlich die Mutter gefragt, wenn das Kind krank ist. Und ja, es gibt auch Ausfallzeiten. In meiner Praxis wird das, wie beschrieben, untereinander kompensiert. Und wenn es aufgrund der Urlaubszeit zu extremen Engpässen kommt, bedeutet das im schlimmsten Fall auch, dass ich Patienten abbestellen muss.
Jedoch sehe ich es persönlich so: Wir leben in einer Zeit, die sehr schnelllebig ist und in der der Fachkräftemangel unseren Alltag bestimmt.
Es kostet wahnsinnig viel Energie und Ressourcen immer wieder neue Mitarbeiter zu suchen und einzuarbeiten. Ein ständiger Mitarbeiterwechsel wirkt sich zudem immens auf die Vertrauensbasis zwischen Praxis und Patient aus.
Daher sehe ich meine „Muttis“, wie ich sie liebevoll nenne, als Investition in meine Zukunft und in die Zukunft meiner Praxis.
Meiner Erfahrung nach, sind diese Frauen extrem engagierte und loyale Mitarbeiterinnen, die sich mit ihrem Arbeitgeber und ihrem Job identifizieren. Es schafft auf lange Sicht eine personelle Stabilität und gewährleistet damit eine Qualitätssicherung.
Ich finde den Aspekt sehr spannend, dass Du Deinen Teilzeitkräften freie Hand bei der Einsatzplanung lässt. Und dass das sehr gut funktioniert. Kannst Du das für unsere Leser kurz erläutern?
Dr. Anke Isser:
Für mich ist nicht entscheidend, wer wann da ist, sondern dass eine adäquate Anzahl qualifizierter Fachkräfte jederzeit zur Verfügung steht und unsere Patienten sich gut aufgehoben fühlen.
Die vertraglich vereinbarte Wochen-Arbeitszeit muss geleistet werden und wird im elektronischen Zeiterfassungssystem dokumentiert. Die Abstimmung, in welchem täglichen Umfang geleistet wird, regeln meine Mitarbeiterinnen unter sich. Dabei haben alle das gleiche Ziel: Es soll so gerecht wie möglich laufen und reibungslos funktionieren. Je besser es läuft, desto mehr Freiraum lasse ich ihnen. Voraussetzung hierfür ist, eine gute Kommunikation im Team und ein gutes Qualitätsmanagement, sodass jede Kraft die andere ersetzen oder unterstützen kann.
Anke, welchen positiven Effekt hast Du aus Deinen Erfahrungen mit dem Einsatz von Müttern in Teilzeit mitgenommen?
Dr. Anke Isser:
Das Team ist enger zusammen gerückt. Wir haben uns in den Bereichen Kommunikation und Planung stark verbessert. Der Lohn sind motivierte und loyale Mitarbeiterinnen, die unserer Praxis über lange Jahre schon die Treue halten.
Was ist aus Deiner Sicht die größte Herausforderung für Deine Praxis, auch im Umgang mit den Vollzeitkräften?
Dr. Anke Isser:
Die Kommunikation. Wichtig ist, dass es zwischen Voll- und Teilzeitkräften eine Übergabe gibt. Alle wichtigen Dinge des Tages werden kurz besprochen und es muss sichergestellt werden, dass keine Informationen verloren gehen und der Praxis-Ablauf reibungslos funktioniert.
Ohne gute Kommunikation wäre Stress und Ärger im Team vorprogrammiert und würde sich auch auf unsere Patienten auswirken.
Vielen Dank Anke, für diesen spannenden Einblick. Ich finde, das kann für andere Arbeitgeber – unabhängig von der Branche – ein guter Gedankenansatz zum Einsatz von Teilzeitkräften sein.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Einsatz von Teilzeitkräften eine gute Möglichkeit ist, gut ausgebildete und loyale Fachkräfte für sich zu gewinnen. Darüber hinaus, kann man damit auch im besten Fall Personalengpässe flexibel ausgleichen und gewinnt Fachkräfte, die eigenständig und lösungsorientiert arbeiten. Als Arbeitgeber muss man sich allerdings darauf einlassen, flexible Arbeitszeit-modelle zu schaffen und eine gute Kommunikation als Basis herzustellen. So erleben alle Beteiligten eine Win-Win-Situation.
Für eine Beratung zu den Themen Fachkräftemangel, Personalgewinnung und -bindung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie mich unter 0151-20102018 oder via E-Mail: kloos@mehrwert-kompetenz.de